Jede körperliche Aktivität löst unmittelbare Abbau- und Stressreaktionen aus. Energiespeicher werden angezapft, zelluläre Strukturen in den Muskeln mechanisch gereizt und Entzündungen getriggert. Diese akuten Reaktionen führen aber langfristig zu Anpassungen, die Körper und Stoffwechsel widerstandsfähiger machen. Bei regelmässig körperlich Aktiven sieht man entsprechend eine weniger ausgeprägte stille Entzündung. Kürzlich wurde dies auch bei Frauen in der Menopause bestätigt.
In der Forschung beginnt vor zwanzig Jahren ein verstärktes Interesse an der niederschwelligen, chronischen Entzündung, die umgangssprachlich stille Entzündung genannt wird. Die Anzahl an wissenschaftlichen Publikationen zur stillen Entzündung steigt dabei von nicht einmal fünfzig im Jahr 2000 auf über 1000 im Jahr 2020.
Stille Entzündung: Unerwünscht und weit verbreitet
Die Evidenzlage zur stillen Entzündung ist mittlerweile dermassen erhärtet, dass sie ursächlich für verschiedene Erkrankungen verantwortlich gemacht wird, von Typ-2-Diabetes über Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis zu Depressionen 1. Auch das Ausmass der Folgen von chronischen Entzündungen wurde bereits geschätzt. Vor Ausbruch der Corona-Pandemie kommt dabei eine Gruppe von Fachleuten, unter ihnen die zwei führenden Altersforschenden Judith Campisi und Claudio Franceschi, auf mehr als 50 Prozent der globalen Todesfälle, die durch chronische Entzündungen verursacht werden 1.
Die vielen Forschungsarbeiten zur stillen Entzündung enthüllten auch bereits diverse Massnahmen, die zu ihrer Reduktion führen. Körperliche Aktivität ist eine davon und auch hier steigt die Evidenzlage stetig an. Bis vor kurzem war aber die entsprechende Erkenntnis bei postmenopausalen Frauen noch nicht geklärt. Sie sind bezüglich der stillen Entzündung von besonderem Interesse, da nach der Menopause der Gehalt an entzündungsfördernden Stoffen im Blut erhöht ist und dieser Anstieg sich schon während der letzten Jahren vor der Menopause anbahnt 2,3. Nun wurde die erste systematische Zusammenfassung der Studienlage über den Einfluss von strukturiertem körperlichem Training auf die stille Entzündung nach der Menopause veröffentlicht.
Körperliche Aktivität & stille Entzündung bei postmenopausalen Frauen
Es befassten sich rund 30 Studien mit dem entzündungssenkenden Potenzial von körperlichem Training bei postmenopausalen Frauen 4. Das Training dauerte dabei zwischen zwei und zwölf Monaten und die Art des Trainings war meistens ein klassisches Ausdauer- oder Krafttraining oder eine Kombination davon. Insgesamt nahmen mehr als 1500 Frauen an den Studien teil und bei den entzündungsfördernden Stoffen wurden diverse Blutparameter untersucht, inklusive eines klassischen Entzündungsmarkers: das C-reaktive Protein (CRP).
Das Ergebnis ist eindeutig. Regelmässiges Training geht mit einer Reduktion von durchschnittlich 0.6 mg/L beim CRP einher, wobei es bei kombiniertem oder Krafttraining allein zu einer etwas grösseren Reduktion als bei Ausdauertraining kommt. Eine CRP-Reduktion von 0.6 mg/L mag auf dem ersten Blick gering erscheinen, sie ist aber physiologisch bedeutend (die stille Entzündung entspricht einem CRP-Bereich von 1 bis 10 mg/L 5). Je nach Ausgangsgehalt entspricht eine CRP-Reduktion von 0.6 mg/L zum Beispiel bis zu einer 40 Prozent geringeren Gefahr für Herzerkrankungen 5.
Wie kommt es zu einer Reduktion der stillen Entzündung?
Die genaue Wirkungsweise von körperlichem Training bezüglich der stillen Entzündung ist noch nicht eindeutig geklärt. Aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sind verschiedene Mechanismen daran beteiligt 6–9. Zu den wichtigsten zählen:
- die Produktion von mehreren, entzündungssenkenden Zytokinen bzw. Myokinen wie zum Beispiel IL-1ra, IL-6 oder IL-15 (Myokine sind während körperlicher Aktivität in den Muskeln produzierte und ins Blut abgebebene Stoffe)
- die Veränderung diverser Immunzellen, die dann vermehrt entzündungshemmende Stoffe wie das IL-10 freisetzen
- die positive Beeinflussung der Darmmikrobiota und die daran gekoppelten, entzündungshemmenden Wirkung
- die Abnahme an Fettmasse und der proportional damit einhergehenden geringeren Freisetzung von entzündungsfördernden Stoffen aus dem Fettgewebe.
Auch wenn noch unklar ist, welcher dieser Mechanismen für die Reduktion der stillen Entzündung ausschlaggebend ist, so ist jedenfalls die Reduktion der stillen Entzündung durch regelmässige körperliche Aktivität ein etabliertes Phänomen. Und diese Erkenntnis konnte jetzt auch für die postmenopausalen Frauen bestätigt werden.
Quelle
- Furman D, Campisi J, Verdin E, Carrera-Bastos P, Targ S, Franceschi C et al. Chronic inflammation in the etiology of disease across the life span. Nat.Med. 2019; 25:1822–32; doi:10.1038/s41591-019-0675-0.
- Pfeilschifter J, Köditz R, Pfohl M, Schatz H. Changes in proinflammatory cytokine activity after menopause. Endocr.Rev. 2002; 23:90–119; doi:10.1210/edrv.23.1.0456.
- McCarthy M, Raval AP. The peri-menopause in a woman’s life: A systemic inflammatory phase that enables later neurodegenerative disease. J.Neuroinflammation. 2020; 17:317; doi:10.1186/s12974-020-01998-9.
- Khalafi M, Malandish A, Rosenkranz SK. The impact of exercise training on inflammatory markers in postmenopausal women: A systemic review and meta-analysis. Exp.Gerontol. 2021; 150:111398; doi:10.1016/j.exger.2021.111398.
- Ridker PM. A test in context: High-sensitivity C-reactive protein. J.Am.Coll.Cardiol. 2016; 67:712–23; doi:10.1016/j.jacc.2015.11.037.
- Da Scheffer DL, Latini A. Exercise-induced immune system response: Anti-inflammatory status on peripheral and central organs. Biochim.Biophys.Acta Mol.Basis Dis. 2020; 1866:165823; doi:10.1016/j.bbadis.2020.165823.
- Gleeson M, Bishop NC, Stensel DJ, Lindley MR, Mastana SS, Nimmo MA. The anti-inflammatory effects of exercise: Mechanisms and implications for the prevention and treatment of disease. Nat.Rev.Immunol. 2011; 11:607–15; doi:10.1038/nri3041
- do Brito Valente AF, Jaspers RT, Wüst RC. Regular physical exercise mediates the immune response in atherosclerosis. Exerc.Immunol.Rev. 2021; 27:42–53; PMID: 33965897
- Nieman DC, Wentz LM. The compelling link between physical activity and the body’s defense system. J.Sport Health Sci. 2019; 8:201–17; doi:10.1016/j.jshs.2018.09.009.
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