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Kaffee hat seit seiner Entdeckung einen kompletten Imagewandel erlebt. In den ältesten Überlieferungen aus dem Ende des Mittelalters wird das dunkle Getränk gelobt, viele Jahre später als potenziell krebserregend verunglimpft und seit geraumer Zeit glänzt Kaffee als Schutzfaktor vor Diabetes. Kürzlich erhielt das Kultgetränk sogar eine regelrechte Absolution, zumindest von wissenschaftlicher Seite. Grund genug für ein Update.

Der Mensch kennt ursprünglich nur Wasser und Muttermilch als Getränke. Nach der Einführung der Landwirtschaft vor etwa 10 000 Jahren kommen Kuhmilch, Wein und Bier als erste von Menschenhand hergestellte Getränke hinzu. Tee und Kaffee sind damals aber noch unbekannt.

Der genaue Zeitpunkt der Einführung von Tee und Kaffee ist nicht klar 1. Beim Tee wird manchmal auf einen frühesten Gebrauch vor 3500 bis 4000 Jahren hingewiesen. Aber mittels Carbon-Datierung konnte bislang nur eine 2100 Jahre alte Nutzung eindeutig verifiziert werden 2. Beim Kaffee fehlt eine solch objektive Datierung und deshalb stützt man sich bei der Ermittlung des frühesten Kaffeekonsums auf Zeitzeugen.

Die ältesten Erwähnungen

Im deutschsprachigen Raum berichtet als erster ein Augsburger Arzt über den Kaffee. Leonhart Rauwolf, der von 1573 bis 1576 den Nahen Osten bereist, erwähnt in seiner Reisebeschreibung aus dem Jahr 1582 ein Getränk, das «wie Dinten so schwarz» ist, Chaube genannt wird und bei gesundheitlichen Problem dienlich ist 3. Rauwolfs Hinweis auf das dintenschwarze Getränk ist möglicherweise auch der weltweit älteste eindeutige Beleg zum Kaffeekonsum, der von einem Zeitzeugen stammt und noch verfügbar ist.

Immer wieder wird auch auf persische Ärzte verwiesen, die den Kaffee schon in den Jahren 900 bis 1000 in ihren Schriften erwähnt haben sollen 4,5. Aber entweder sind die Schriften verschollen oder Kaffee wurde nicht spezifisch genannt (man impliziert einfach, dass es sich bei gewissen genannten pflanzlichen Bohnen um Kaffee handeln könnte, ist sich aber dessen nicht ganz sicher). Somit nahm der Kaffeekonsum spätestens vor 450 Jahren Einzug in die kulinarische Geschichte des Menschen, vielleicht aber schon vor rund 1000 Jahren.

Die Beurteilung eines Lebensmittels aufgrund eines Nährstoffes

Bei der Beurteilung von Kaffee gibt es seit jeher ein grundlegendes Problem. Kaffee wird häufig auf das enthaltene Koffein reduziert und die Wirkung des Kaffees mit seinem Koffeingehalt begründet. Diese reduktionistische Sichtweise betrifft nicht nur den Kaffee. Sie ist in der Ernährung leider sehr oft anzutreffen. Paradebeispiel sind die Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr, die die Lebensmittel nicht berücksichtigen, in denen die Nährstoffe enthalten sind. Die vom Lebensmittel losgelöste Beurteilung der Wirkung eines Nährstoffes macht aber nicht viel Sinn. Denn diese Wirkung hängt stark vom physikalischen Kontext des Nährstoffes ab, also vom Lebensmittel und den anderen in diesem Lebensmittel enthaltenen Stoffen. Darüber hinaus beeinflusst auch der Stoffwechselzustand der Empfänger und Empfängerinnen die Wirksamkeit eines Nährstoffes.

Kaffee ist nicht Koffein und Koffein ist nicht Kaffee

Den Kaffee nur über seinen Koffeingehalt zu beurteilen, ist daher nicht zielführend. Dies wird spätestens ersichtlich, wenn man die Zusammensetzung des Kaffees betrachtet. Kaffee enthält wie viele andere Lebensmittel pflanzlichen Ursprungs eine Vielzahl an Inhaltsstoffen. Neben Koffein und den primären Stoffen wie Fette, Kohlenhydrate oder Mineralstoffe kommen auch Terpene, rund zwei Dutzend Polyphenole sowie über 800 flüchtige Verbindungen vor 6–8. Lässt man zum Beispiel bei der Beurteilung die Polyphenole ausser Acht, so berücksichtigt man ein beachtliches Wirkpotenzial des Kaffees nicht. Je nach Kaffeesorte und Röstung enthalten vier Tassen an Kaffee die gleiche Menge an Polyphenolen, wie sie in einer ausgewogenen, pflanzenbasierten und polyphenolreichen Ernährungsweise vorkommen (ca. 1500 Milligramm pro Tag) 9,10. Es ist daher denkbar, dass die Polyphenole des Kaffees in ihrer Gesamtheit die Wirkung des Koffeins übertreffen und für die Gesamtwirkung des Kaffees hauptverantwortlich sind. Jedenfalls gehören die Polyphenole heute zu den bedeutendsten Stoffen, von denen man sich vielversprechende, positive Auswirkungen auf die Gesundheit verspricht 11.

Kaffee im Kontext der Gesunderhaltung

Bis etwa um das Jahr 2015 gibt es einige kritische Stimmen zum Kaffeekonsum. Die WHO berichtet in Verbindung mit dem Kaffeekonsum sogar von einer erhöhten Gefahr für verschiedene Krebsarten (z.B. Leber- und Bauchspeicheldrüsenkrebs) 12. Aber die WHO hat diese Berichte mittlerweile revidiert 13. Der Kaffeekonsum ist nicht mehr mit einer erhöhten Krebsgefahr assoziiert und der Pendel sogar in die andere Richtung geschwungen: Man sieht bei Kaffeekonsum eine leicht geringere Gefahr für Haut-, Brust- und Prostatakrebs und eine stark geringere Gefahr für Leber- und Gebärmutterschleimhautkrebs 14.

Die umfangreichste Datenlage über den Zusammenhang zwischen Kaffeekonsum und Gesundheit gibt es aber bezüglich der Gefahr, verfrüht an irgendeiner Erkrankung zu sterben (die sogenannte Gesamtsterblichkeit). Die systematisch zusammengefasste Evidenz aus 35 Langzeitstudien an fast drei Millionen Erwachsenen ist eindeutig. Wer Kaffee trinkt, darf berechtigterweise auf ein längeres Leben hoffen. Bei dreieinhalb Tassen Kaffee pro Tag ist der Zusammenhang am stärksten und man sieht dann eine um 15 Prozent geringere Gefahr, verfrüht zu sterben 15. Ein höherer Konsum verändert diesen Zusammenhang praktisch nicht, aber bei weniger Kaffee steigt die Gefahr kontinuierlich an, mit der höchsten Gefahr bei kompletter Kaffeeabstinenz. Der stärkste Zusammenhang zu einer einzelnen Erkrankung liegt beim Typ-2-Diabetes vor. Hier sieht man bei einem täglichen Konsum von zweieinhalb bis viereinhalb Tassen eine rund 30 Prozent geringere Gefahr, an Diabetes zu sterben.

Sinnvolles Maximum an Kaffeegenuss

Insgesamt spricht somit keine Evidenz mehr für die pauschale Empfehlung, auf den Kaffeegenuss zu verzichten. Wer gerne guten Kaffee trinkt und ihn gut verträgt, kann dies ohne schlechtes Gewissen tun. Der gesunde Menschenverstand und die generelle Empfehlung zu einer vielfältigen Lebensmittelwahl machen aber selbstverständlich auch vor dem Kaffee nicht halt. Ist Kaffee die einzige Flüssigkeitsquelle, stimmt prinzipiell etwas nicht. Entweder sind es dann nur ein bis zwei Tassen pro Tag und somit die gesamte Flüssigkeitszufuhr zu niedrig. Oder die gesamte Zufuhr liegt mit ein bis zwei Liter pro Tag im Rahmen einer sinnvollen Menge, aber dann wäre der Kaffeekonsum übertrieben. Bei drei oder vier Tassen täglich und rund einem bis zwei Liter Gesamtzufuhr an Getränken haben neben dem Kaffee auch andere Lieferanten von Flüssigkeit ausreichend Platz. Drei bis vier Tassen Kaffee pro Tag können daher als sinnvolles Maximum eingestuft werden.

Kaffee in der Schwangerschaft

Auch der Kaffee kommt nicht ohne Ausnahme aus. Dabei geht es aber nicht spezifisch um den Kaffee, sondern um das Koffein. Bei erhöhter Koffeinzufuhr gibt es diverse Anzeichen für mögliche Schwangerschaftsprobleme. Ein echter Konsens liegt aber diesbezüglich noch nicht vor. Die einen berichten bei hoher Koffeinzufuhr der werdenden Mutter von einem zu tiefen Gewicht bei den Neugeborenen oder von einem zu hohen Gewicht während der Kindheit und fordern daher im Extremfall einen kompletten Koffeinverzicht während der Schwangerschaft 16,17. Andere sind diesbezüglich aber skeptisch und deuten auf die heterogene Datenlage hin, die keine eindeutige Schlussfolgerung zulässt 18. In der umfassenden Beurteilung über Kaffee, Koffein und Gesundheit, die kürzlich in der führenden medizinischen Fachzeitschrift New England Journal of Medicine veröffentlich wurde, ist man sich der heterogenen Datenlage zwar bewusst. Aber es wird doch zur Vorsicht bei der Koffeinzufuhr während der Schwangerschaft gemahnt und gibt einen Grenzwert von 200 Milligramm pro Tag an 14. Konsequenterweise kommt dieser Grenzwert aber einem Kaffeeverbot gleich. Denn bereits eine kleine Tasse von 25 Milliliter Espresso, wie sie in Italien üblich ist, kann mehr als 200 mg Koffein enthalten 19.

Fazit

Wer gerne Kaffee trinkt und gesund ist, muss sich prinzipiell keine Sorgen machen. Die überwiegende Mehrheit der Evidenz zeigt bei regelmässigem Kaffeekonsum keine erhöhte, sondern eine reduzierte Gefahr für Erkrankungen und Sterblichkeit auf. Während der Schwangerschaft oder bei eingeschränkter Verträglichkeit ist es ratsam, sich auf der vorsichtigen Seite zu bewegen und den Kaffeekonsum – aber auch Konsum anderer Koffeinquellen – möglichst einzuschränken.

  1. Wolf A, Bray GA, Popkin BM. A short history of beverages and how our body treats them. Obes.Rev. 2008; 9:151–64; doi:10.1111/j.1467-789X.2007.00389.x.
  2. Drew L. The growth of tea. Nature. 2019; 566:S2-S4; doi:10.1038/d41586-019-00395-4.
  3. Rauwolfen L. Aigentliche beschreibung der Raiss / so er vor diser zeit gegen Aussgang inn die Morgenländer. Getruckt zu Laugingen durch Leonhart Reinmichel, 1582.
  4. Fischer EF, Victor B, Robinson D, Farah A, Martin PR. Chatper 1. Coffee consumption and health impacts: A brief history of changing conceptions. In: Farah A (Hrsg.). Coffee: Consumption and health implications. London: Royal Society of Chemistry, 2019, pp. 1–19.
  5. Bizzo MLG, Farah A, Kemp JA, Scancetti LB. Highlights in the history of coffee science related to health. In: Preedy VR (Hrsg.). Coffee in health and disease prevention. Amsterdam, Heidelberg, London: Elsevier Academic Press, 2015, pp. 11–17.
  6. Yeretzian C, Jordan A, Lindinger W. Analysing the headspace of coffee by proton-transfer-reaction mass-spectrometry. Int.J.Mass Spectr. 2003; 223-224:115–39; doi:10.1016/S1387-3806(02)00785-6.
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  8. Jeszka-Skowron M, Zgoła-Grześkowiak A, Grześkowiak T. Analytical methods applied for the characterization and the determination of bioactive compounds in coffee. Eur.Food Res.Technol. 2015; 240:19–31; doi:10.1007/s00217-014-2356-z.
  9. Amiot M-J, Latgé C, Plumey L, Raynal S. Intake estimation of phytochemicals in a French well-balanced diet. Nutrients. 2021; 13; doi:10.3390/nu13103628.
  10. Olechno E, Puścion-Jakubik A, Markiewicz-Żukowska R, Socha K. Impact of brewing methods on total phenolic content (TPC) in various types of coffee. Molecules. 2020; 25; doi:10.3390/molecules25225274.
  11. Mozaffarian D. Nutrition’s dark matter of polyphenols and health. Nat.Food. 2021; 2:139–40; doi:10.1038/s43016-021-00248-2.
  12. Stewart BW, Wild CP. World Cancer Report 2014. Lyon: International Agency for Research on Cancer/World Health Organization, 2014.
  13. Wild CP, Weiderpass E, Stewart BW. World cancer report. Lyon: International Agency for Research on Cancer/World Health Organization, 2020.
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