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Regelmässige körperliche Aktivität verbessert den Stoffwechsel und senkt das Krankheitsrisiko. Dies ist keine neue Erkenntnis. Aber viele glauben noch, bei geringer Aktivität bleibe die Verbesserung des Stoffwechsels bloss aus und der Ist-Zustand erhalten. Dies ist leider nicht der Fall. Denn zu wenig Aktivität bewirkt Effekte, die den Stoffwechsel kompromittieren und den Ist-Zustand verschlechtern. Nun wurde die «zu wenig Aktivität» quantifiziert.

Für Gesundheitsfachleute ist es schon ein alter Hut. Körperliche Aktivität hält Krankheiten fern und verbessert die Gesundheit 1. Ein Aspekt ist in diesem Kontext aber weniger bekannt. Zu geringe körperliche Aktivität, die oft als Inaktivität bezeichnet wird, induziert eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes. Beim Nichtstun verpasst man nicht nur eine Verbesserung, man löst also zusätzlich auch eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes aus.

Körperliche Inaktivität als unabhängiger Risikofaktor

Zu Beginn der 2000er-Jahre mehren sich die Berichte über die gesundheitlichen Folgen der körperlichen Inaktivität. Etwa zu dieser Zeit entsteht auch die Auffassung, dass das Unterschreiten eines Mindestmasses an körperlicher Aktivität Prozesse auslöst, die die Gesundheit beeinträchtigen 2. Der Physiologe Marc Hamilton umschreibt dies im Jahr 2004 als «Physiologie der Inaktivität» und erklärt das Phänomen am Beispiel eines Regelstoffs des Fettstoffwechsels, dem Enzym Lipoproteinlipase 3. Diese Lipase spaltet Fette im Blut und gilt als zentraler Regler des Fettstoffwechsels 4.

Bei normaler körperlicher Aktivität ist die Lipoproteinlipase in einem als gesund und normal einzustufenden Ausmass aktiv. Strukturiertes körperliches Training kurbelt die Aktivität der Lipoproteinlipase an und dies ist einer der Gründe, weshalb es dann zur Verbesserung des Gesundheitszustandes kommt. Bei körperlicher Inaktivität kommt es aber zu einer partiellen Hemmung der Aktivität der Lipoproteinlipase, die Fette werden schlechter verstoffwechselt.

Nicht nur genügend bewegen, sondern auch weniger nicht bewegen

Es geht für die Gesunderhaltung also nicht nur um das Fördern der körperlichen Aktivität. Man muss gleichzeitig auch die körperliche Inaktivität, insbesondere in Form des längeren Sitzens reduzieren 5. Auch wenn dies schon vor rund 20 Jahren auf dem Radar der Forschung stand, wurden die Empfehlungen für die körperliche Aktivität erst Ende 2020 mit Empfehlungen zur Reduktion eines sitzenden Verhaltens ergänzt 1. Die neuen Ziele beinhalten nicht nur das Erreichen eines bestimmten Umfangs an körperlicher Aktivität pro Tag oder pro Woche. Sie zielen auch darauf, während jedem Tag die Phasen der Inaktivität mit regelmässigen Phasen von Muskelaktivitäten zu durchbrechen. Oder einfach gesagt: Im Sitzen ausgeübte Tätigkeiten sollen regelmässig durch Aufstehen und Gehen aufgelockert werden.

Zu wenig Tagesaktivität kompromittiert positiven Einfluss auf Lipämie

Die Stoffwechselantwort nach Einnahme einer Mahlzeit wird postprandialer Stoffwechsel genannt und die postprandiale Lipämie charakterisiert den Anstieg der Blutfette. Das Ausmass der postprandialen Lipämie steht dabei im Zusammenhang mit der Entstehung diverser Zustände, wie zum Beispiel Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder die stille Entzündung 6. Es ist daher ratsam, die postprandiale Lipämie möglichst niedrig zu halten und dafür ist eine zumindest normale Aktivität der Lipoproteinlipase erforderlich. Vor/nach Mahlzeiten durchgeführte körperliche Aktivitäten erzielen genau dies und sie sind somit eine effektive Massnahme, um die postprandiale Lipämie in Schach zu halten 7.

Das Interesse einer kürzlich veröffentlichten Studie galt nun der postprandialen Lipämie am Morgen nach einem 60 Minuten dauernden Lauf mit moderater Intensität, der am Vorabend stattfand. Es sollte untersucht werden, ob die übliche körperliche Aktivität während des Alltages die günstige Wirkung des Laufs auf die postprandiale beeinträchtigt 8. Die Durchführung der Studie erfolgte gemäss höchsten qualitativen Anforderungen und es nahmen sowohl junge Männer wie auch Frauen an der Studie teil.

5000 Schritte und mehr

Das Ergebnis ist eindeutig. Im Vergleich zu einer Alltagsaktivität von 10 000 Schritten steigt bei weniger als 5000 Schritten die postprandiale Lipämie markant um etwa 20 Prozent an. Gleichzeitig sinkt die Fettverbrennung um bis zu 20 Prozent, was in der Studie knapp neun Gramm Fett entsprach. Anders ausgedrückt: Wenn ich am Abend eine Stunde jogge und üblicherweise insgesamt 10 000 Schritte pro Tag erreiche, verbrenne ich erheblich mehr Fett nach einer Mahlzeit, als wenn ich dieselbe Stunde jogge, aber täglich nur 5000 oder weniger Schritte erziele. Das Erstaunliche: Bereits zwei Tage mit 5000 Schritten oder weniger genügen, um die Verschlechterung der postprandialen Lipämie auszulösen.

Dieses Ergebnis bestätigt eine vorgeschlagene Grenze von 5000 Schritten, unterhalb derer man von einem sitzenden Lebensstil sprechen sollte 9. Und dieses Ergebnis zeigt auch unmissverständlich auf: Ein Grundrauschen an körperlicher Aktivität von mehr als 5000 Schritten sollte möglichst täglich erfolgen. Andernfalls werden die Effekte von jeder zusätzlichen Aktivität wie beispielsweise durch ein strukturiertes Training abgedämpft. Man bewegt sich dann sozusagen vergebens, zumindest teilweise.

Quellen

  1. World Health Organization. WHO guidelines on physical activity and sedentary behaviour. Geneva, 2020.
  2. Booth FW, Chakravarthy MV, Gordon SE, Spangenburg EE. Waging war on physical inactivity: using modern molecular ammunition against an ancient enemy. J.Appl.Physiol. 2002; 93:3–30; doi:10.1152/japplphysiol.00073.2002.
  3. Hamilton MT, Hamilton DG, Zderic TW. Exercise physiology versus inactivity physiology: an essential concept for understanding lipoprotein lipase regulation. Exerc.Sport Sci.Rev. 2004; 32:161–6; doi:10.1097/00003677-200410000-00007.
  4. Wu SA, Kersten S, Qi L. Lipoprotein lipase and its regulators: An unfolding story. Trends Endocrinol.Metab. 2021; 32:48–61; doi:10.1016/j.tem.2020.11.005.
  5. Hamilton MT. The role of skeletal muscle contractile duration throughout the whole day: reducing sedentary time and promoting universal physical activity in all people. J.Physiol. 2018; 596:1331–40; doi:10.1113/JP273284.
  6. Zhao Y, Liu L, Yang S, Liu G, Pan L, Gu C et al. Mechanisms of atherosclerosis induced by postprandial lipemia. Front.Cardiovasc.Med. 2021; 8:636947; doi:10.3389/fcvm.2021.636947.
  7. Teeman CS, Kurti SP, Cull BJ, Emerson SR, Haub MD, Rosenkranz SK. Postprandial lipemic and inflammatory responses to high-fat meals: a review of the roles of acute and chronic exercise. Nutr.Metab.(Lond.). 2016; 13:80; doi:10.1186/s12986-016-0142-6.
  8. Burton HM, Coyle EF. Daily step count and postprandial fat metabolism. Med.Sci.Sports Exerc. 2021; 53:333–40; doi:10.1249/MSS.0000000000002486.
  9. Tudor-Locke C, Craig CL, Thyfault JP, Spence JC. A step-defined sedentary lifestyle index: <5000 steps/day. Appl.Physiol.Nutr.Metab. 2013; 38:100–14; doi:10.1139/apnm-2012-0235.

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