Die durch den Menschen verursachte Veränderung des Klimas führt zu einer globalen Erwärmung der Erde. Eine Reduktion der Emissionen kann die Erwärmung verlangsamen, weshalb der Ruf nach entsprechenden Massnahmen zu Recht immer lauter wird. Betroffen ist oft die Produktion tierischer Lebensmittel, da sie eine Hauptursache der Emissionen sein sollen. Entspricht dies aber den Fakten?
Der jüngste Bericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) spricht Klartext. Gemäss diesem Gremium der Vereinten Nationen, welches die wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Klimawandel bewertet, werden ohne korrigierende Massnahmen die durch den Menschen verursachten, negativen Auswirkungen des Klimawandels stärker werden 1. Noch ist es aber nicht zu spät. In der Zusammenfassung des jüngsten Berichts zu Händen der politischen Entscheidungsträger heisst es im April 2023:
Eine tiefgreifende, rasche und anhaltende Verringerung der Emissionen an Treibhausgasen (THG) würde innerhalb von etwa zwei Jahrzehnten zu einer spürbaren Verlangsamung der globalen Erwärmung führen.
Konkret liesse sich bei sofortiger Umsetzung entsprechender Massnahmen das Ziel einer maximalen globalen Erwärmung von 1.5 Grad Celsius noch erreichen. Andernfalls drohen mehr Umweltkatastrophen wie häufigere Hitzewellen, Nahrungsknappheit und vieles mehr.
THG-Inventar
Eine Voraussetzung für die Reduktion der THG-Emissionen ist die Kenntnis ihrer Ursachen. Denn sinnvolle und nennenswerte Massnahmen lassen sich nur definieren und ergreifen, wenn bekannt ist, wo wie viele Emissionen entstehen.
In der Schweiz fasst das Bundesamt für Umwelt die THG-Emissionen im sogenannten THG-Inventar zusammen und die jüngsten Daten geben Auskunft für das Jahr 2021 2. Das THG-Inventar beinhaltet gemäss internationalen Standards alle auf Schweizer Boden emittierten THG, die in CO2-Äquivalente umgerechnet wurden. Konkret handelt es sich dabei um Kohlenstoffdioxid (CO2), Methan (CH4), Lachgas (N2O), Schwefelhexafluorid (SF6), Stickstofftrifluorid (NF3) und um weitere, klimarelevante, synthetische Gase (HFC und PFC). Nicht enthalten sind die «importierten» THG-Emissionen, also jene, die bei der Herstellung und dem Transport importierter Güter im Ausland entstehen. Darunter fallen auch die THG-Emissionen für importierte Lebensmittel.
THG-Emissionen auf Schweizer Boden
Im Jahr 2021 entstanden in der Schweiz rund 45 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente, entsprechend einer knapp 20-prozentigen Reduktion seit dem Jahr 1990 2. Setzt man diese in der Schweiz anfallenden CO2-Äquivalente in Relation zu den 2021 global entstandenen, knapp 52 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalente, tragen die Emissionen auf Schweizer Boden 0.1 Prozent zu den globalen Gesamtemissionen bei 3.
Die drei Hauptverursacher der 45 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente aus der Schweiz sind der Verkehr mit einem Anteil von 31 Prozent, die Industrie mit 24 Prozent und die Haushalte mit 18 Prozent. Auf die Landwirtschaft entfallen insgesamt 14.3 Prozent (siehe Abbildung).
Total an «Schweizer» THG-Emissionen
Das THG-Inventar liefert einen guten Überblick über die auf Schweizer Territorium entstehenden Emissionen. Für die Beurteilung der gesamten «Schweizer» THG-Emissionen sind aber auch die im Ausland für die Produktion von Schweizer Konsumgüter entstehenden Emissionen zu berücksichtigen.
Diese sogenannten grauen Emissionen, auch «Rucksack an Emissionen» genannt, sind beträchtlich. Zusammen mit den Emissionen aus dem Schweizer Territorium fliessen sie in den sogenannten THG-Fussabdruck ein und erhöhen das Total an «Schweizer» Emissionen auf rund 103 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente 4. Bei globalen THG-Emissionen im Jahr 2020 von knapp 50 Milliarden Tonnen beträgt somit der Anteil an gesamten Schweizer THG-Emissionen etwa 0.2 Prozent.
THG-Emissionen für die gesamten «Schweizer» Lebensmittel
Die THG-Emissionen der Ernährung werden in der Schweiz jeweils separat im «THG-Fussabdruck der Ernährung» ausgewiesen, in dem die grauen Emissionen aus dem Ausland bereits enthalten sind. Im Jahr 2020 verursachte die Ernährung 16.5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente, entsprechend 16 Prozent der gesamten Emissionen von 103 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente 5. Der von den pflanzlichen und tierischen Lebensmitteln verursachte Anteil wird hier leider nicht explizit ausgewiesen.
Methan-Emissionen: Setzen sich die neuen Berechnungsmodelle durch?
Die THG-Emissionen für die Produktion von tierischen Lebensmitteln basieren zu einem grossen Anteil auf Methan-Emissionen, die in erster Linie aus der Rinderhaltung und der Bewirtschaftung von Hofdünger stammen. In der Schweiz machen diese Methan-Emissionen rund zwei Drittel aller landwirtschaftlichen THG-Emissionen aus 2. Deswegen lautet eine häufige Forderung, den Konsum und die Produktion von Rindfleisch sowie Milch und Milchprodukten zu reduzieren.
Die zur Berechnung der THG-Emissionen genutzten Algorithmen stammen aber noch vom 5. Bericht zur Klimaveränderung der IPCC aus dem Jahr 2013 6. Damals nutzte man im Algorithmus das Potenzial eines Gases, die Erwärmung generell voranzutreiben, das sogenannte Global Warming Potential (GWP). Schon damals vorhanden, aber nicht genutzt, war auch das konkretere «Potenzial für die Veränderung der globalen Temperatur» (Global Temperature Change Potential, GTP). Ganz grob umschrieben beschreibt das GWP, wie ein Gas generell einzustufen ist. Ein analoges Bild für das GWP wäre, welche Temperatur eine Kerzenflamme generell erreichen kann. Das GTP versucht hingegen zu schätzen, welchen Effekt das Gas auf die globale Temperatur in einem bestimmten Zeitraum haben kann. Das analoge Bild wäre, zu welcher Temperaturveränderung das Brennen der Kerze über eine bestimmte Zeit führen kann. Hier ist inkludiert, dass die Kerze abbrennt und nach einer gewissen Zeit keine Wärme mehr produziert. Methan gehört zu den kurzlebigen Gasen und deswegen nimmt sein Potenzial zur Veränderung der globalen Temperatur mit der Zeit stark ab.
Die IPCC selbst weist in ihrem letzten, wissenschaftlichen Bericht darauf hin, dass der GWP-Berechnungsalgorithmus für die durch das Methan induzierten THG-Emissionen zu einer Überschätzung der Veränderung der globalen Temperatur über die Zeit führt und daher künftig anzupassen sei 7. Die IPCC hat deswegen bereits 2019 festgelegt, dass eine ihrer Arbeitsgruppen einen entsprechenden Bericht zur Methodik für die sogenannten «kurzlebigen Gase» wie das Methan entwickeln soll – die Arbeiten mussten aber aufgrund der Covid-Pandemie verschoben werden und der Bericht steht noch aus 8.
Die gleiche Auffassung wie das IPCC teilt auch die Akademie der Naturwissenschaften Schweiz. Ihren Berechnungen entsprechend würden die mit dem «neuen» GTP-Algorithmus ermittelten Methan-Emissionen aus der Schweizer Landwirtschaft in der THG-Bilanz nur noch 0.6 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente anstelle der bisher veranschlagten 3.9 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente betragen – dies entspricht einer 6-fachen Reduktion 9. Diese Reduktion wäre praktisch vollumfänglich dem THG-Fussabdruck der tierischen Lebensmittel zuzuschreiben.
Schweizer THG-Emissionen von pflanzlichen und tierischen Lebensmitteln
In den offiziellen Statistiken des Bundes erfolgt beim THG-Fussabdruck der Ernährung keine Zuweisung zu den pflanzlichen und tierischen Lebensmitteln. Anhand eines vom WWF Schweiz beauftragten Berichtes zu den Ökobilanzen verschiedener Ernährungsstile aus dem Jahr 2015 lässt sich diese Aufteilung aber dennoch schätzen. Für den im Jahr 2012 erfolgten Schweizer Verbrauch an Lebensmitteln resultierte in diesem Bericht folgende Verteilung des Fussabdrucks: 17 Prozent für Verpackung, Transport und Vertrieb, 28 Prozent für pflanzliche Lebensmittel und 55 Prozent für tierische Lebensmittel (bei insgesamt 1.84 Tonnen CO2-Äquivalente pro Kopf pro Jahr) 10.
Würde man die Berechnung mit der neuen Methan-Metrik durchführen, ergäbe sich eine absolute Reduktion der Emissionen um rund einen Drittel auf 1.26 Tonnen CO2-Äquivalente pro Kopf pro Jahr. Die Verteilung sähe dann wie folgt aus: 25 Prozent für Verpackung, Transport und Vertrieb, 36 Prozent für pflanzliche Lebensmittel und 39 Prozent für tierische Lebensmittel. Bei all den Mess- und Schätzungenauigkeiten ist der Unterschied von knapp 3 Prozent zwischen den pflanzlichen und tierischen Lebensmitteln kaum relevant.
Fazit
Die Ermittlung der THG-Emissionen ist komplex und es existieren diverse Ansätze dafür. Kommt wie zu erwarten die neue Methan-Metrik zum Zuge, verschwinden für die Schweiz allfällige Unterschiede bei den Emissionen zwischen tierischen und pflanzlichen Lebensmitteln. Egal welcher Ansatz gewählt wird, der THG-Fussabdrucks der Ernährung insgesamt – und somit automatisch auch derjenige der tierischen Lebensmittel – ist nicht eine Hauptursache der THG-Emissionen. Mit rund 15 Prozent aller verursachten THG-Emissionen liegt die Ernährung deutlich unter den Hauptquellen Verkehr, Industrie und Haushalte, die ihrerseits für rund drei Viertel aller THG-Emissionen verantwortlich sind. .
So ist bereits jetzt abzusehen, dass die häufig auch in der Schweiz proklamierte, stark reduzierte Zufuhr von Lebensmitteln tierischer Herkunft leider nicht zu einer relevanten Reduktion der von Menschen gemachten THG-Emissionen führen wird. Dies bestätigt auch eine aktuelle Berechnung der globalen Umweltbelastung, die nicht nur die THG-Emissionen, sondern auch den Wasserverbrauch, die Landverdrängung und die Überdüngung auf der ganzen Welt berücksichtigt. Dieser in Nature Sustainability veröffentlichten Publikation entsprechend verursachen bereits heute die pflanzlichen Lebensmittel mit 55 Prozent eine deutlich höhere Umweltbelastung als die tierischen Lebensmittel mit 35 Prozent – die restlichen 10 Prozent gehen zu Lasten der Fische und Meerestiere 11.
Quellen
- IPCC. Climate Change 2023: Synthesis Report. IPCC. 2023. https://www.ipcc.ch/report/ar6/syr/.
- Bundesamt für Umwelt. Kenngrössen zur Entwicklung der Treibhausgasemissionen in der Schweiz: 1990-2021. BAFU. 2023.
- European Commission. EDGAR – Emissions Database for Global Atmospheric Research. https://edgar.jrc.ec.europa.eu/climate_change. Zugriff: 31.5.2023.
- Bundesamt für Statistik. Luftemissionskonten der Haushalte und der Wirtschaft, nach Wirtschaftssektoren. 2023. https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/raum-umwelt/umweltindikatoren/alle-indikatoren/emissionen-und-abfaelle/treibhausgasemissionen.assetdetail.23464616.html. Zugriff: 1.6.2023.
- Bundesamt für Statistik. MONET 2030: Treibhausgas-Fussabdruck. Treibhausgas-Fussabdruck der Ernährung pro Person. 2022. https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/nachhaltige-entwicklung/monet-2030/alle-nach-themen/12-konsum-produktion/treibhausgas-fussabdruck.html. Zugriff: 1.6.2023.
- IPCC. Climate Change 2013: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change: Chapter 8. 2013.
- IPCC. Climate Change 2021: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Sixth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change. 2021. DOI: 10.1017/9781009157896.
- IPCC. Methodology report on short-lived climate forcers. https://www.ipcc.ch/report/methodology-report-on-short-lived-climate-forcers/. Zugriff: 2.6.2023.
- Neu U. Klimawirkung und CO2-Äquivalent-Emissionen von kurzlebigen Substanzen. Swiss Academies Communications No. 17 (5), 2022. Swiss Academy of Sciences.
- Jungbluth N, Eggenberger S, Keller R. Ökoprofil von Ernährungsstilen. ESU-services GmbH. 2015.
- Halpern BS, Frazier M, Verstaen J, Rayner P-E, Clawson G, Blanchard JL et al. The environmental footprint of global food production. Nat.Sustain. 2022; 5:1027–39; doi:10.1038/s41893-022-00965-x.
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