Von Dr. sc. nat. ETH Paolo Colombani | Lesezeit 5 bis 6 Minuten

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Was ist die Proteinqualität?

Die Proteinqualität ist ein Mass zur Beurteilung der Wirksamkeit eines Nahrungsproteins, um den Bedarf an Proteinen und essenziellen Aminosäuren für die Proteinsynthese im Körper zu decken 1–3.

Was ist der Proteinnährwert?

Der Nährwert ist grundsätzlich der «Wert eines bestimmten Nährstoffs für die Aufrechterhaltung der Körperfunktionen» 4. Der Proteinnährwert entspricht somit der Proteinqualität gemäss obiger Definition.

Achtung: Diverse Methoden zur Bestimmung der Proteinqualität berücksichtigen die Wirkung auf die Proteinsynthese leider nicht. Deswegen sind «Proteinqualität» und «Proteinnährwert» nicht immer Synonyme.

Entspricht der Proteinnährwert dem Proteingehalt eines Lebensmittels?

Nein. Der Proteingehalt entspricht der in einem Lebensmittel enthaltenen Menge an Proteinen, der Nährwert beschreibt hingegen die Wirkung dieser Menge im Körper nach dem Konsum des Lebensmittels. Es ist nicht möglich, anhand des Proteingehalts allein den Proteinnährwert herzuleiten. Deshalb macht zum Beispiel der Vergleich des Proteingehalts zweier Lebensmittel keinen Sinn. Der deklarierte Proteingehalt entspricht zudem nicht dem effektiven Gehalt, weil die gesetzlichen Vorschriften leider eine falsche Deklaration vorschreiben 5.

Was ist der DIAAS?

Der Digestible Indispensable Amino Acid Score (DIAAS) ist die seit dem Jahr 2012 von der Food and Agriculture Organization (FAO) empfohlene Methode zur Beurteilung der Proteinqualität. Der DIAAS beinhaltet aber nur eine Prüfung der Proteine bis und mit der Verdaulichkeit. Wie die meisten Methoden zur Proteinqualität beurteilt der DIAAS die Wirksamkeit der Proteine im Stoffwechsel nicht und ist daher kein echtes Mass für den Nährwert der Proteine 6. Als Beispiel: DIAAS Sojaburger = 87, DIAAS Rinderfilet = 110 (+26 %, siehe Tabelle); Muskelproteinsynthese nach Konsum von 1 Rindfleischburger ist 700 % derjenigen nach Konsum von 1 Sojaburger 7.

Wieso empfiehlt man dennoch, den DIAAS zur Beurteilung der Proteinqualität?

Die FAO räumt bereits 2012 ein, dass der DIAAS nicht die ideale Methode für die Beurteilung der Proteinqualität ist 3. Die Analyse der Wirkung von Nahrungsproteinen im Körper ist aber hochkomplex und teuer, weshalb als Alternative dazu der DIAAS genutzt werden soll. Dennoch ist festzuhalten: Wenn immer Daten zur Wirkung im Körper vorliegen, insbesondere auf die Proteinsynthese, sind diese bei der Beurteilung der Proteinqualität zu bevorzugen.

Was ist der PDCAAS?

Der Protein Digestibility Corrected Amino Acid Score (PDCAAS) war die im Jahr 1991 von der FAO empfohlene Methode, um die Proteinqualität zu beurteilen 8. Seit dem Jahr 2012 empfiehlt die FAO aber den PDCAAS durch den DIAAS zu ersetzen 3.

Wieso wurde der PDCAAS durch den DIAAS ersetzt?

Der PDCAAS weist zentrale Schwächen auf, die mit dem DIAAS überwunden wurden. Dazu gehören die Berücksichtigung der Verdaulichkeit der einzelnen Aminosäuren anstelle der Verdaulichkeit des Gesamtproteins, die Messung des reaktiven Lysins anstelle des Gesamtlysins und insbesondere das Zulassen von Werten über 100, anstatt diese auf 100 zu deckeln 6. Letzteres erlaubt eine faire Darstellung von qualitativ hochwertigen Proteinen (DIAAS grösser als 100), die im PDCAAS mit einem auf 100 zurückgesetzten Wert ausgewiesen werden mussten. Hochwertige Proteine werden daher mit der PDCAAS-Methode mit einer schlechteren Qualität ausgewiesen, als sie effektiv vorliegt.

Soll man alte Methoden wie den PDCAAS noch nutzen?

Ältere und grundsätzlich überholte Methoden der Proteinqualität wie die biologische Wertigkeit sollten genauso wie der PDCAAS nicht mehr genutzt werden. Sie weisen zum DIAAS unterschiedliche numerischer Werte und Rangierungen der gleichen Proteine auf und tragen nur zur Verwirrung rund um die Bestimmung der Proteinqualität bei.

Wie bestimmt man den DIAAS?

Der 2013er FAO-Bericht enthält alle Informationen über die Bestimmung wie auch Anwendung des DIAAS 3. Als Prämisse gilt: Die Proteinqualität muss grundsätzlich über die im Protein enthaltenen Aminosäuren – und nicht auf Ebene des Proteingehalts beurteilt werden.

Der DIAAS basiert prinzipiell auf der chemischen Analyse der Aminosäuren eines Proteins unter Berücksichtigung ihrer Verdaulichkeit. Der DIAAS darf per Definition am Menschen, am wachsenden Schwein oder an der wachsenden Ratte ermittelt werden. Er entspricht dem Verhältnis der verdaulichen Menge der limitierenden essenziellen Aminosäure im zu beurteilenden Nahrungsprotein zum Gehalt der gleichen Aminosäure in einem arbiträr definierten Referenzprotein.

Was bedeuten die DIAAS-Werte?

Ein DIAAS-Wert von 100 oder mehr bedeutet grundsätzlich, dass im untersuchten Nahrungsprotein selbst die limitierende essenzielle Aminosäure in «ausreichender» und gut verfügbarer Menge vorliegt. Bei einem geringeren Wert als 100 liegt hingegen die limitierende Aminosäure in einer nicht ausreichenden Menge vor. Inwiefern die limitierende Aminosäure aber effektiv in ausreichender Menge vorliegt, hängt von der in der Berechnung des DIAAS genutzten Referenzproteins ab (s. unten «Einschränkungen des DIAAS»).

Was bedeutet «hohe Qualität» beim DIAAS?

DIAAS-Werte werden manchmal von qualitativen Beschreibungen wie «hohe» oder «exzellente» Qualität begleitet. Die FAO sieht solche Beschreibungen aber nur im lebensmittelrechtlichen Kontext der Deklarationen auf verpackten Lebensmitteln vor 3 (analog zum Beispiel dem «high protein» bei einem hohen Proteingehalt). Diese Beschreibungen können irreführend sein, da sie einen weiten Bereich umspannen (z. B. DIAAS zwischen 75 und 99 gilt als «hohe» Proteinqualität 9). Ein DIAAS von 99 entspricht aber per Definition einer erheblich höheren Qualität als ein DIAAS von 75, weshalb solche qualitativen Beschreibungen problematisch sind. Die FAO empfiehlt sie nicht, wenn es um die physiologische Beurteilung der Proteine geht.

Einschränkungen des DIAAS

Der DIAAS erfuhr mittlerweile berechtigte Kritik 1,6. So schreibt die FAO nicht vor, wie der Proteingehalt berechnet werden soll. Man muss daher davon ausgehen, dass hierfür häufig der übliche Stickstoff-zu-Protein-Umrechnungsfaktor von 6,25 genutzt wird 5, was sowohl zu Über- und Unterschätzung des DIAAS führt.

Ein weiterer Kritikpunkt ist das gewählte Referenzprotein, das auf einer mittleren empfohlenen Zufuhr von 0,66 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht basiert 1,3. Ein alternatives Referenzprotein könnte ein Nahrungsprotein sein, dass nachweislich zu einer hoher Körperproteinsynthese führt (=Surrogat für Nährwertbestimmung

Es ist auch fraglich, ob ein Nahrungsprotein nur anhand der limitierenden Aminosäuren zu beurteilen ist. Schliesslich muss man sich auch fragen, inwiefern in einem einzelnen Nahrungsprotein alle essenziellen Aminosäuren in einem «idealen Verhältnis» wie im Referenzprotein enthalten sein sollen.

Macht der DIAAS überhaupt noch Sinn?

Der DIAAS ist als Teil des wissenschaftlichen Fortschritts zu betrachten. Er beschreibt die Proteinqualität zweifelsfrei besser als der PDCAAS und weitere Methoden. Aber er berücksichtigt noch nicht die Wirkung auf die Proteinsynthese und entspricht daher noch nicht dem Proteinnährwert. Anderseits wurde der Proteinnährwert bislang nur vereinzelt und für gewisse Nahrungsproteine bestimmt.

Für die Schaffung eines Überblicks zu verschiedenen Nahrungsproteinen macht der DIAAS daher Sinn – und ist allemal besser als die alleinige Beurteilung des Proteingehaltes eines Lebensmittels oder als andere Methoden wie PDCAAS oder biologische Wertigkeit. Notabene Nutrition arbeitet aber bereits an der Schaffung einer Übersicht zur Proteinqualität, die auch den Proteinnährwert berücksichtigt.

Das Proteos-Projekt

Das grösste bisherige Forschungsprojekt zur Ermittlung der Verdaulichkeit von Aminosäuren war das Proteos-Projekt, in dem rund 100 Lebensmittel in drei verschiedenen Labors untersucht wurden 10.

Proteos ist einzigartig, da in allen drei Labors die identische Methode zur Bestimmung der verdaulichen Aminosäuren am wachsenden Schwein angewandt wurde. Die resultierenden Verdaulichkeiten sind daher direkt miteinander vergleichbar. Zudem wurde diese Methodik am wachsenden Schwein zuvor mit derjenigen am Menschen validiert 11.

Ermittlung der DIAAS-Werte in der Tabelle

Die nachfolgende Tabelle – im PDF als Abbildung dargestellt – listet DIAAS-Werte, die auf Basis der Daten aus dem Proteos-Projekt ermittelt wurden (Daten zur Verdaulichkeit der Aminosäuren und zur Aminosäurenzusammensetzung der Proteine) 10. Die abgebildeten DIAAS-Werte werden in künftigen Versionen dieses «Quick facts» durch weitere DIAAS-Werte aus vergleichbaren Forschungen ergänzt. Die aktuelle Version dieses «Quick facts» ist jeweils diejenige, die auf www.notabenenutrition.media veröffentlicht ist.

Die Berechnung der DIAAS-Werte erfolgte mit der vorhergesagten menschlichen ilealen Verdaulichkeit, die von der wahren ilealen Verdaulichkeit am wachsenden Schwein abgeleitet wurde (Formel gemäss Hodgkinson et al, 2022) 11, und als Referenzprotein galt dasjenige für ältere Kinder, Jugendliche und Erwachsene der FAO 3.

Beurteilung der DIAAS-Werte

Die in der nachfolgenden Tabelle gezeigten DIAAS-Werte stimmen grundsätzlich mit anderen DIAAS-Werten aus der Literatur überein. Tierische Lebensmittel weisen höhere Werte als pflanzliche Lebensmittel auf, mit Ausnahme der Proteinisolate aus Kartoffeln und Molke.

Der sehr hohe DIAAS-Wert beim Kartoffelproteinisolat ist bekannt, der etwas niedrige Wert beim Molkenproteinisolat überrascht auf dem ersten Blick. Die entsprechenden Analysen zum Molkenprotein (Zusammensetzung der Aminosäuren sowie ihre Verdaulichkeit) sind aber plausibel, weshalb der etwas niedrige DIAAS-Wert als Hinweis für die eingeschränkte Aussagekraft des DIAAS zu deuten ist.

Bei Untersuchungen zur Muskelproteinsynthese schneidet Molkenproteinisolat immer sehr gut ab und gilt daher seit langem als Protein der Wahl zur Optimierung der Muskelproteinsynthese 12. Direkte Untersuchungen zur Muskelproteinsynthese haben eine grössere Evidenzkraft als der DIAAS, weshalb Molkenprotein trotz nicht ganz so hohem DIAAS als sehr hochwertig gilt.

Quellen

  1. Moughan PJ, Lim WXJ. Digestible indispensable amino acid score (DIAAS): 10 years on. Front.Nutr. 2024; 11:1389719; doi:10.3389/fnut.2024.1389719.
  2. Wolfe RR, Church DD, Ferrando AA, Moughan PJ. Consideration of the role of protein quality in determining dietary protein recommendations. Front.Nutr. 2024; 11:1389664; doi:10.3389/fnut.2024.1389664.
  3. Food and Agriculture Organisation. Dietary protein quality evaluation in human nutrition: Report of an FAO expert consultation, 31 March-2 April, 2011, Auckland, New Zealand. Rome: Food and Agriculture Organization of the United Nations, 2013.
  4. Dudenredaktion. „Nährwert“ auf Duden online. https://www.duden.de/rechtschreibung/Naehrwert. Zugriff: 20.6.2025.
  5. Colombani PC. Falsch Proteindeklaration. Notabene Nutrition. 2025. https://www.notabenenutrition.media/2025/08/22/falsche-proteindeklarationen/. Zugriff: 22.8.2025.
  6. Matthews JJ, Arentson-Lantz EJ, Moughan PJ, Wolfe RR, Ferrando AA, Church DD. Understanding dietary protein quality: DIAAS and beyond. J.Nutr. 2025; In Druck; doi:10.1016/j.tjnut.2025.07.005.
  7. Church DD, Hirsch KR, Kviatkovsky SA, Matthews JJ, Ferrando AA, Azhar G, Wolfe RR. The anabolic response to a ground beef patty and soy-based meat alternative: A randomized controlled trial. Am.J.Clin.Nutr. 2024; 120:1085–92; doi:10.1016/j.ajcnut.2024.08.030.
  8. Food and Agriculture Organisation, World Health Organization. Protein quality evaluation. Report of the Joint FAO/WHO Expert Consultation. FAO Food and Nutrition Paper No. 51, 1991. Rome.
  9. Herreman L, Nommensen P, Pennings B, Laus MC. Comprehensive overview of the quality of plant and animal-sourced proteins based on the digestible indispensable amino acid score. Food Sci.Nutr. 2020; 8:5379–91; doi:10.1002/fsn3.1809.
  10. Hodgkinson SM, Stroebinger N, Stein HH, Fanelli N, Vries S de, van der Wielen N, Hendriks WH, Moughan PJ. True ileal amino acid digestibility of human foods classified according to food type as determined in the growing pig. J.Nutr. 2025; In Druck; doi:10.1016/j.tjnut.2025.08.004.
  11. Hodgkinson SM, Stroebinger N, van der Wielen N, Mensink M, Montoya C, Hendriks WH, Vries S de, Stein HH, Moughan PJ. Comparison of true ileal amino acid digestibility between adult humans and growing pigs. J.Nutr. 2022; 152:1635–46; doi:10.1093/jn/nxac077.
  12. Devries MC, Phillips SM. Supplemental protein in support of muscle mass and health: Advantage whey. J.Food Sci. 2015; 80:A8-A15; doi:10.1111/1750-3841.12802.

DIAAS-Werte – Version 1.1 (11.10.2025)

Berechnet basierend auf Hodgkinson et al. True ileal amino acid digestibility of human foods classified according to food type as determined in the growing pig. J.Nutr. 2025; In Druck; doi:10.1016/j.tjnut.2025.08.004.

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